Konsequenzen – ja oder nein?
Wenn wir uns in einer konflikthaften Situation mit unserem Kind befinden, sind wir gefordert, möglichst schnell eine für alle passende Lösung zur finden.
Ein Beispiel aus einem Familienalltag soll ein alltägliches Problem verdeutlichen:
Der dreijährige Theo steht während des Abendessens immer wieder auf und möchte seine Burg weiter bauen. Seine Mutter Elisabeth möchte aber gerne, dass er – wie alle anderen Familienmitglieder auch – am Tisch sitzen bleibt und isst.
Wie kann sie reagieren?
Frage dich zuerst
- Was will ich erreichen? (Ziele: kurz – und langfristig)
- Warum ist es mir wichtig?
- Weiß das Kind das? (Gibt es Regeln?)
- Was kann ich von meinem Kind schon erwarten?
- Welche Absichten hat das Kind?
Diese Fragen können blitzartig unser Gehirn durchlaufen und es benötigt in der Regel nur einen Augenblick, bevor wir Klarheit bekommen.
Elisabeth stellt sich folgende Fragen:
Was will ich erreichen?
Kurzfristig: Theo soll sitzen bleiben und essen.
Langfristig: Theo soll das Beisammensein in der Familie genießen können und sich zudem an eine Essensroutine gewöhnen
Warum ist es mir wichtig?
Elisabeth möchte wenigstens einmal am Tag ein gemeinsames Ereignis schaffen, bei dem die ganze Familie anwesend ist. Dieses Zusammensein sollte wenn möglich positiv von allen erlebt werden, so hat sie es in ihrer Kindheit selbst erlebt und geschätzt. Es ist ihr eigener Wunsch, also nicht „weil man es so macht“.
Weiß mein Kind das?
Theo weiß das, es gibt auch eine extra Tischregel dazu: „Beim Abendessen bleiben wir am Tisch sitzen“. Elisabeth hat ihm zudem schon erklärt, dass ihr das gemeinsame Abendessen wichtig ist, weil das die einzige Zeit am Tag ist, die die ganze Familie zusammen verbringt.
Was kann ich von meinem Kind erwarten?
Theo ist drei Jahre alt und somit körperlich und entwicklungsmäßig noch nicht unbedingt so weit, sehr lange still zu sitzen. Die tatsächlich mögliche Dauer ist sehr individuell und von Kind zu Kind unterschiedlich. Elisabeth kann ihren Sohn gut einschätzen und weiß, dass 20 – 30 Minuten für ihn gut machbar sind.
Welche Absichten hat mein Kind?
Theo allerdings hat ganz einfach andere Pläne: Er möchte unbedingt seine angefangene Burg fertig bauen und hat im Moment ganz einfach kein Interesse an einem gemeinsamen Abendessen.
Was heißt Konsequenz?
con sequentia = mit Folge
> jedes Handeln hat eine Folge!
5 Arten von Konsequenz
1. Strafe
Eltern versuchen – meist durch eine Reduktion von „Rechten“ bzw. Vergünstigungen – das Kind zu einer Verhaltensänderung zu bringen (z.B. Zimmer – bzw. Hausarrest, Fernsehverbot, Taschengeldentzug, …).
In unserem Fall könnte das bedeuten, dass Elisabeth Theo zum Sitzenbleiben zwingt indem sie damit droht, die gute Nachtgeschichte ausfallen zu lassen, falls er nicht kooperiert.
Typische Formulierung: Wenn du nicht … dann …
- Diese Maßnahme hat in der Regel nichts mit dem ursprünglichen Verhalten des Kindes zu tun
- Oft bleibt es bei einer Drohung
- Kind lernt aus Angst und nicht aus Einsicht
- Die Eltern-Kind-Beziehung leidet!
Strafe gehört zum Methodenrepertoire der autoritären Erziehung und ist nicht geeignet für eine Erziehung, die auf freiwillige Kooperation und eine starke Eltern-Kind-Beziehung setzt. Wenn Eltern strafen, dann meistens deshalb, weil …
- sie keine andere Möglichkeit sehen
- sie es selbst nie anders erlebt haben
- sie so ihren Emotionen Luft machen können – allerdings fühlt sich nachher niemand besser …
- sie Angst haben, andernfalls ihre Autorität zu verlieren
2. Logische Konsequenz
Eltern initiieren eine direkte Folge des kindlichen Verhaltens.
Das Kind lernt aus dieser Konsequenz mit der Zeit, sein Verhalten anzupassen.
In unserem Beispiel könnte Elisabeth sagen: Du kannst weiter an deiner Burg bauen, aber Abendessen gibt es jetzt und hier am Tisch. Später gibt es nichts mehr. Wenn du Hunger hast, dann setze dich bitte jetzt zu uns und iss etwas!
In diesem Fall würde Elisabeth auf das Erreichen ihrer kurzfristigen Ziele verzichten und Theo würde lernen, dass er die Wahl hat, allerdings mit unangenehmen Folgen (Hunger) rechnen muss, falls er sich gegen das Abendessen entscheidet.
Was lernt das Kind:
- Eltern greifen lenkend ein
- längerfristig ist eine Verhaltensänderung vorteilhafter
In unserem konkreten Beispiel ist Theo wohl noch zu jung für diese Konsequenz. Ein Dreijähriger lebt im Hier und Jetzt, er kann sich nicht vorstellen, dass er in einer Stunde womöglich Hunger empfindet. Zusätzlich ist – gerade bei kleinen Kindern – eine Konsequenz mit Folgen auf der körperlichen Ebene sehr vorsichtig einzusetzen!
Wiedergutmachung als logische Konsequenz
Einen entstandenen Schaden wieder gut zu machen gehört auch in die Kategorie der logischen Konsequenzen und macht – gerade für ältere Kinder – wesentlich mehr Sinn als eine künstlich herbeigeführte Strafe.
3. Natürliche Konsequenz
Eltern müssen „nur geschehen“ lassen.
Frage: Was kann passieren?
Beispiel für eine natürliche Konsequenz wäre folgende Situation: Ein Vater ermahnt seinen Sohn mehrmals, gut auf das neue ferngesteuerte Auto aufzupassen. Der Sohn hört nicht auf ihn (bzw. entscheidet sich für eine rauhe Umgangsweise), das Auto wird kaputt. In diesem Fall hat der Sohn kein funktionierendes ferngesteuertes Auto mehr, außer natürlich, er bekommt sofort ein neues. Will der Vater hier einen Lerneffekt erzielen, müsste er das Erleben des Verlustes geschehen lassen.
Für Eltern ist es nicht immer einfach, die Konsequenzen mitzutragen. Trotzdem sind Situationen, in denen sich natürliche Konsequenzen anbieten, von besonderem Wert!
Schwierigkeiten bei natürlichen Konsequenzen:
Klarerweise können wir natürliche Konsequenzen nur dann eintreten lassen, wenn das Kind dadurch keinerlei Schaden nimmt. Lernen durch natürliche Konsequenzen im Straßenverkehr zum Beispiel ist ein No-Go!
Wo die persönliche Schmerzgrenze liegt, muss jeder für sich herausfinden. Z.B.: Lasse ich mein Kind auf dieses Klettergerüst klettern? Was könnte schlimmstenfalls passieren und bin ich bereit, mit dem Kind die Folgen mitzutragen? Was passiert umgekehrt, wenn ich durch meine eigne Angst das Klettern sofort unterbinde?
Ein Fauxpas wäre, dem Kind zusätzlich zu dem Schaden noch „unter die Nase zu reiben“, dass man die Folge ja schon vorausgesehen hat und, dass es dem Kind recht geschieht. Bitte nicht!! Jeder kennt dieses Gefühl des Scheiterns und niemand braucht dazu noch ein „recht geschieht es dir“!
Ein „Oje, jetzt ist es passiert“ oder „Tut mir leid für dich“ ist völlig ausreichend.
Vorteile von natürlichen Konsequenzen:
- Das Kind übernimmt (altersentsprechend) zunehmend die Verantwortung für seine Entscheidungen
- Eltern begleiten das Kind emphatisch
- Das Kind lernt direkt aus den Folgen seiner Handlung
- die Beziehung zu den Eltern wird nicht belastet.
4. Keine unmittelbare Konsequenz
Vor allem bei Kleinigkeiten (Jammern, Schimpfwörter ausprobieren, Faxen machen, …) brauchen wir nicht immer reagieren.
– Zunächst nur beobachten!
– Suche nach Hintergründen für das Verhalten (ist es Ausprobieren oder einfach Aufmerksamkeit?)
– Gespräch darüber in einer neutralen Situation.
Trotzdem: Eigene Grenzen wahren, eigene Emotionen zeigen!
Wenn ich geschockt bin, dass meine Dreijährige das helle Ledersofa mit Kugelschreiber verziert hat, reicht wahrscheinlich meine ganz ehrliche Bestürzung aus und das Kind weiß, dass da etwas nicht glatt gelaufen ist. Ich brauche keine zusätzliche Konsequenz. (Besonders, wenn ein Verbot gar nicht bewußt war).
5. Nie eine Konsequenz
Immer nur wegzusehen, das Kind uneingeschränkt gewähren lassen und auf diese Weise auch keine Orientierung zu bieten, ist das andere Extrem der hier aufgeführten Möglichkeiten.
Oft geschieht es aus zwei Gründen:
- aus Überforderung der Eltern
- aus dem Vertrauen, dass sich das Kind ganz ohne Lenkung am besten entwickelt.
Nachteile von gänzlich fehlenden Konsequenzen
- Kinder fühlen sich nicht wahrgenommen und werden Grenzen immer weiter austesten, damit endlich jemand reagiert (hallo, ist da jemand?)
- Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern wird nicht gestärkt
- Wahrscheinlich werden Eltern mit zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten rechnen müssen
Welche Konsequenz ist sinnvoll?
Welche und ob überhaupt eine Konsequenz gesetzt wird, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Art des kindlichen Verhaltens (z.B. Gewalt, Nörgeln)
- Alter bzw. Entwicklungsstand des Kindes
- Situation (Umgebung, Tageszeit, …)
- Temperament des Kindes
- Beziehungsqualität zwischen Eltern und Kind
- Werte-Hintergrund der Eltern, Erziehungsstil – was will ich?
In unserem Anfangsbeispiel erfasst Elisabeth die Situation in einem Augenblick, Sie weiß, dass Theo normalerweise gerne am gemeinsamen Abendessen teilnimmt und das Sitzenbleiben kein Problem für in darstellt. Sie kann aber nachvollziehen, dass ihm in diesem Moment sein Spiel wichtiger ist. Nun liegt es an ihr zu entscheiden, welches Interesse schwerer wiegt.
Nachdem es nicht nur um die Gemeinschaft sondern auch um Nahrungsaufnahme geht (Hannes soll ihrer Meinung nach etwas essen), entscheidet sie sich für einen Kompromiss. Sie sagt: „Ich verstehe, dass du jetzt lieber deine Burg weiterbauen möchtest (Empathie), allerdings wirst du Hunger bekommen, wenn du jetzt nichts isst. Ich möchte, dass du dich jetzt zu uns setzt und etwas isst, du darfst aber gleich wieder weiterspielen, sobald du fertig gegessen hast.
Diese Lösung ist kein Allgemeinrezept für ein gelungenes Miteinander, aber eine Möglichkeit, die für Elisabeth und Theo in ihrer konkreten Situation gut funktionieren kann.
Bei dir sieht es vielleicht ganz anders aus?
Möchtest du deine Erfahrungen teilen? Ich freue mich über gelungene Beispiele und unterstütze dich gerne beim Finden von Lösungen für herausfordernde Situationen!